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Das Entwurmungsmanagement der meisten Pferdebetriebe ist seit Jahrzehnten dasselbe: Die Pferde werden pauschal 2-4 Mal jährlich entwurmt. Die Wurmkuren hierfür werden vom Tierarzt bezogen, in der Regel hat vor der Verabreichung der Wurmkur keine Untersuchung des Tieres stattgefunden. Bei mir im Stall war der Tierarzt nur kurz da, um den Karton mit Wurmkuren abzuliefern. Kommt dir das bekannt vor?
Wie wir alle wissen, ist die Wurmkur ein Medikament. Man wächst als Reiter im Laufe der Jahre Stück für Stück in die Pflege der Pferde erst rein. Erst relativ spät beschäftigen einen Themen wie die Erste Hilfe, die Vergabe von Medikamenten, das Erkennen von Lahmheiten, Krankheiten und deren Symptomen. Oftmals erst ganz zum Schluss wird die Wurmkur zum Thema. Bis dahin hat man schon einige Jahre als „Pferdebesitzer“ auf dem Buckel und hat eine gängige Praxis entwickelt. Man sieht die Wurmkur gar nicht mehr so richtig als Medikament an, sondern eher wie eine Impfung des Pferdes. Sie wird ganz selbstverständlich in den Alltag integriert und die Zweckmäßigkeit wird nicht mehr hinterfragt.
Viele, viele Blogbeiträge und Artikel in Pferdemagazinen später kommt die Erkenntnis: Mach es anders – mach es richtig. Und schwupp steht man vor einem Problem: Für die selektive Entwurmung müssen alle anderen Besitzer der Herdenmitglieder von der Notwendigkeit einer Veränderung überzeugt werden. Das kann mitunter sehr schwierig sein, denn das verantwortungsvolle Entwurmen ist keinesfalls ein Weg, um Geld zu sparen. Man bindet sich andere Kosten ans Bein. Klar spart man sich dank guter Stall- und Weidehygiene und dem angemessenen Abwägen einer Wurmbehandlung die Kosten für die Wurmkur. Die Labore und Tierärzte wollen aber auch für die Kotuntersuchungen Geld sehen. Und so kommt es, dass bestenfalls für die gesamte Herde eine ausgewogene 0 €-Plus-Nummer daraus wird. Bestenfalls.
Wenn man frech ist, kann man auf jeden Fall argumentieren, dass dem Pferdebesitzer die Gesundheit des Lieblings doch wohl etwas Geld wert sein sollte: „Einfach zwei teure Schabracken im Jahr weniger kaufen.“ Aber so weit wollen wir uns nicht aus dem Fenster lehnen.
Um verantwortungsvoll und zielgerichtet zu entwurmen, ist es nicht der „einzig richtige Weg“ selektiv den gesamten Pferdestall bzw. die gesamte Herde zu entwurmen.
Klar wäre es ideal. Aber wir wissen, dass das Leben nun mal kein Ponyhof ist.
Die strategische Entwurmung
Die strategische Entwurmung wird häufig missverstanden und beim Durchforsten des Internets stellen sich uns regelmäßig die Nackenhaare hoch.
Eins soll vorneweg gesagt sein: Die strategische Entwurmung ist auf keinen Fall „schlecht“ und ist auch mit der „pauschalen, blinden Entwurmung“ der Pferde nicht zu verwechseln. Ganz einfach gesagt: Eine Strategie hat immer einen Plan und wird mit Köpfchen durchgeführt.
Die Entwurmung des Pferdes, unabhängig von dessen Weidekumpeln im Stall, auf dem Paddock oder auf der Weide, soll strategisch ablaufen. Das heißt, dass je nach Jahreszeit und Haltungsform dein Pferd, besser gesagt der Kot deines Pferdes, auf Würmer untersucht wird.
Es geht darum zu erkennen, ob dein Pferd einen Wurmbefall hat und ob sich Symptome zeigen. Danach richtet sich die Entscheidung, ob überhaupt eine Wurmkur nötig ist.
Die strategische Entwurmung spielt bei Fohlen und Jungpferden eine entscheidende Rolle. Ist dein Pferd jünger als 5 Jahre, solltest du nicht selektiv entwurmen. Auch nicht dann, wenn es sich anbietet, weil alle in deinem Stall „mitziehen“.
Weil dein Pferd noch im Wachstum steckt, die Auswirkungen eines starken Wurmbefalls schlimmer wären und das Immunsystem noch nicht völlig ausgereift ist, soll dein Pferd entwurmt werden, auch wenn es nur einen „leichten“ Wurmbefall hat.
Ganz wichtig ist hier, dass ein Wirkstoff-Wechsel bei den unterjährigen Entwurmungen stattfindet, damit sich keine Resistenzen der Würmer gegen den Wirkstoff bilden.
Um sicher zu sein, dass die Wurmkur erfolgreich war, wird von der ESCCAP*, also den führenden Parasitologen in Europa, eine Wirksamkeitskontrolle nach der Entwurmung empfohlen.
Die strategische Entwurmung kommt auch zum Einsatz, wenn du im Pensionsvertrag die Klausel hast, dass regelmäßig zu den vorgegebenen Zeiten der gesamte Stall die Pferde „entwurmen“ soll.
Häufig soll dies 2-4 Mal im Jahr erfolgen. Erfreulicherweise akzeptieren die meisten Pferdestallbesitzer mittlerweile einen negativen Wurmtest wie den Wurmtest-Pferd von Vetevo und sehen von einer unnötigen Behandlung deines Pferdes ab. Wenn du also vor dem eigentlichen „Entwurmungstermin“ einen Wurmtest, sprich eine Kotuntersuchung deines Pferdes machst, kannst du sehen, ob du überhaupt entwurmen musst. Falls Würmer gefunden werden muss der Wirkstoff der Wurmkur gemäß des Wirkstoff-Kalenders strategisch ausgewählt werden. Dabei wird die Wurmart, die Jahreszeit und der regelmäßige Wechsel der Wirkstoffe/Wirkstoffgruppe beachtet.
Die selektive Entwurmung
Weshalb die selektive Entwurmung das Wörtchen „selektiv“ beinhaltet, beruht auf zwei Überlegungen:
1. Es werden nur betroffene Pferde entwurmt und nicht pauschal die gesamte Herde.
2. Auch bei den betroffenen Pferden werden nur die entwurmt, die einen kritischen Befall haben, also einen gewissen Richtwert überschreiten.
Selektiv, also ausgewählt zu entwurmen, heißt, jedes Pferd individuell zu betrachten und die Situation einzuschätzen. Eine Kotuntersuchung hilft dabei, denn nicht immer zeigt sich ein schwerer Wurmbefall in Symptomen von Kolik, Abmagerung, Husten, Nasenausfluss bis zu Atemnot, Fieber, Darmentzündungen und Wasseransammlungen in Beinen und Unterbauch.
Wichtig ist es, dass bei der selektiven Entwurmung die Pferde immer gut beobachtet werden. Zeigt ein Tier Veränderungen, schubbert es sich zum Beispiel an der Schweifrübe, wirkt es matt oder frisst anders als gewohnt, muss man die Möglichkeit eines Wurmbefalls nochmals genauer prüfen, also eine weitere Kotuntersuchung einleiten. Natürlich sind nicht immer Würmer an allem schuld, aber bei der selektiven Entwurmung zählt ein genaues Beobachten einfach dazu wie auch eine gute Weidehygiene.
Bei der selektiven Entwurmung ist es nicht das Ziel, die Pferde „wurmfrei“ zu bekommen. Von diesem Gedanken muss man sich verabschieden. Es ist auch gar nicht relevant, denn es ist Fakt, dass man zum einen die Pferde aufgrund der hohen Neuinfektionsgefahr gar nicht 100%ig wurmfrei bekommt, zum anderen ist eine geringe Wurmbelastung für das Pferd nicht schlimm. Es triggert sogar ein bisschen das Immunsystem und sorgt für eine gewisse Gesunderhaltung. Kurz gesagt, die Würmer gehören zum Pferd. Es geht eher darum, die Neuinfektionsgefahr der Herdenmitglieder zu senken, indem man die Pferde identifiziert und behandelt, die die Auslaufgebiete der Herde mit vielen Wurmeiern verseuchen.
Um die Anzahl der ausgeschiedenen Wurmeier zu erfahren, wird in der Regel ein McMaster-Laborverfahren angewendet. Hier werden unter einem Mikroskop in einer Zählkammer die Eier gezählt und der EpG-Wert (Eier pro Gramm Kot) ermittelt. Der Schlüsselwert liegt bei 200 Eiern pro Gramm Kot. Das heißt, wenn ein Pferd mehr als 200 EpG ausscheidet, verseucht es die Weide und steigert somit das Ansteckungsrisiko der Herdenmitglieder. Pferde mit hoher Eiausscheidung werden als „Vielausscheider“ kategorisiert und entsprechend behandelt. Pferde mit einer geringeren Eiausscheidung werden als „Wenigausscheider“ kategorisiert und nur behandelt, falls der Wert über 200 EpG steigt.
Einige Anwender der selektiven Entwurmung behandeln die „Wenigausscheider“ überhaupt nicht mit einer Wurmkur. Da jedoch einige Würmer nur sehr schwer oder per Zufall über den Kot nachgewiesen werden können, empfiehlt es sich, einmal im Jahr eine „Pflichtbehandlung“ zu machen.
Der Bandwurm beispielsweise scheidet keine Eier aus, sondern stößt bildlich gesprochen, einen Teil seines Körpers mit Eiern ab. So ist die Trefferwahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet ein Teil des Bandwurms in der Kotprobe zu finden ist, sehr gering. Gegen den Bandwurm wirkt der Wirkstoff Praziquantel am besten. In der bisher oft „großen Entwurmung“ oder auch „Nikolaus-Entwurmung“ genannten Wurmkur steckten oft ein Breitbandwirkstoff in Kombination mit dem Wirkstoff Praziquantel.
Für die Pflichtbehandlung ist daher die „Nikolaus-Entwurmung“ am 06.12. eines Jahres nicht nur vom Timing her perfekt, weil die Larven der Magendassel-Fliege auch angesprochen werden, sondern es wird auch einfach einmal im Jahr das Pferd gegen einen möglichen Bandwurmbefall behandelt. Moment mal, dann entwurmen wir ja doch wieder pauschal?
Ja, das stimmt. Leider wurde 2018 der Wirkstoff Praziquantel von der „Einzelpräparat-Liste“ gestrichen. Früher konnte man eine Wurmkur kaufen, in der nur der Wirkstoff Praziquantel eingesetzt wurde. Nun muss Praziquantel in einem Kombinationspräparat mit z. B. Ivermectin verwendet werden. Ivermectin ist ein breit wirkender Wirkstoff, der u. a. kleine und große Strongyliden und Spulwürmer bekämpft.
Es ist also leider so, dass zur Bekämpfung des Bandwurms, auch Wirkstoffe verwendet werden, die überhaupt nicht gegen den Bandwurm wirken. Ärgerlich, aber leider nicht zu ändern. Vertreter der selektiven Entwurmung, die diese Pflichtbehandlung im Jahr nicht machen, haben schlüssige Argumente, die sicherlich nicht von der Hand zu weisen sind.
Angenommen man hat 15 Pferde in einer Herde, man nimmt 3 - 4 Mal im Jahr über drei Tage Kotproben, dann hat man fast 160 Kotproben genommen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, einen Bandwurm nachweisen zu können sehr. Da es sich bei einem Bandwurmbefall ohnehin um einen sogenannten Herdenbefall handelt und die gesamte Herde gegen einen Bandwurm behandelt wird, ist es verständlich, die Pflichtbehandlung wegfallen zu lassen und nur im Falle eines Nachweises gegen Bandwürmer zu entwurmen.
Wenn du in deinem Stall eine selektive Entwurmung einführen möchtest, helfen wir die das Konzept mithilfe einer Jahresplanung umzusetzen. Wenn du es wünscht, werden die Laborergebnisse bei uns so aufbereitet, dass du die Übersicht über die Eiausscheidungen jedes Pferdes einzeln und in der Gruppe genau beobachten kannst und somit den Überblick behältst.
Egal, für welche Entwurmungsstrategie du dich auch entscheidest: Das richtige Hygienemanagement ist wichtig. Eine Weide bzw. ein Paddock sollte immer alle 2 Tage von Pferdeäpfeln befreit werden. Pferdeboxen müssen täglich ausgemistet werden und sollten einmal im Jahr desinfiziert werden. Gitterstäbe, Tröge und Wassertränken müssen ebenfalls regelmäßig gesäubert und auch jährlich desinfiziert werden. Dazu sollten Desinfektionsmittel verwendet werden, die ausdrücklich ungefährlich für die Pferde, aber wirksam gegen Wurmeier sind.
vetevo - aus Liebe zum Tier.