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04.10.2023

MDR1-Gendefekt beim Hund

MDR1-Gendefekt ist eine vererbliche Erkrankung bei Hunden, die zu einer Medikamenten-Überempfindlichkeit führt.
MDR1-Gendefekt beim Hund

Der MDR1-Gendefekt ist eine genetische Erkrankung, die zu einer Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Medikamenten (Medikamentenunverträglichkeit) führt. Besonders Hunde aus der Familie der Collies sind betroffen, aber auch andere Rassen oder Mischlinge können den Defekt tragen. Ein spezieller MDR1-Test kann Aufschluss geben und helfen, Medikamentengaben sicher zu gestalten.

Inhaltsverzeichnis:

Was ist der MDR1-Gendefekt?

Die Genmutation hat zur Folge, dass die so genannten „Multidrug-Resistance-Transporter“ (MDR1) der Tiere nicht richtig funktionieren. Diese Transporter sitzen unter anderem als Schutzbarriere an den Blutgefäßwänden im Gehirn. Dort sorgen sie als Teil der „Blut-Hirn-Schranke“ dafür, dass die meisten Arzneistoffe und giftigen Stoffe nicht ins Gehirn übertreten können. Durch den Defekt des MDR1-Transporters ist diese Barriere gestört und die Medikamente/Gifte können ungehindert ins Gehirn gelangen. So kann es zu neurologischen Störungen kommen.

Ähnliche Barriereaufgaben übernimmt der MDR1 im Hoden und in der Plazenta. In der Leber, der Niere und dem Darm ist der MDR1-Transporter an der Aufnahme und der Ausscheidung von Medikamenten und Giftstoffen beteiligt.

Außerdem hat der MDR1-Gendefekt Einfluss auf die Wirkung der Nebennieren-Hormone Cortisol und Corticosteron: Deswegen haben von Medikamentenunverträglichkeit betroffene Tiere unter Umständen eine erhöhte Stressanfälligkeit und eine verminderte Regenerationsfähigkeit und zeigen evtl. eine herabgesetzte Schilddrüsenfunktion.

Symptome eines MDR1-Gendefekts

Wenn Hunde den MDR1-Gendefekt in sich tragen, ist vor allem bei Narkosemedikamenten und Wurmkur-Wirkstoffen besondere Vorsicht geboten. Denn nur dann wird die Medikamentengabe zu einer Gesundheitsgefahr.

Zu den häufigsten Symptomen des MDR1-Gendefekts gehören neurologische Anzeichen wie Zittern, unkontrollierte Bewegungen und Ataxie, also eine Störung der Bewegungskoordination. Die Hunde können auch Anzeichen von Desorientierung oder Verwirrung zeigen. In schweren Fällen kann es sein, dass der Hund krampft oder ins Koma fällt.

Ein weiteres häufiges Symptom ist Erbrechen, das bei Hunden oft mit Durchfall zusammen auftritt. Diese gastrointestinalen Symptome können zu Dehydration und Schwäche führen, was den allgemeinen Zustand des Hundes weiter verschlechtert.

Einige Hunde zeigen auch vermehrten Speichelfluss und eine ungewöhnlich langsame oder unregelmäßige Herzfrequenz. Diese Symptome sind darauf zurückzuführen, dass das zentrale Nervensystem und andere Organsysteme von den toxischen Wirkungen der Medikamente betroffen sind, die bei Hunden mit MDR1-Gendefekt nicht richtig abgebaut werden können.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Symptome stark variieren können, abhängig von der Dosis und dem spezifischen Medikament, dem der Hund ausgesetzt ist. Die Schwere der Symptome hängt auch davon ab, wie stark der Defekt ausgeprägt ist.

Bei welchen Hunderassen kommt der MDR1-Gendefekt häufig vor?

Entdeckt wurde der Defekt des MDR1-Gens vor einigen Jahren bei Colliehunden: Die Hunde reagierten überraschend empfindlich auf das Antiparasitikum Ivermectin und zeigten schwere neurologische Symptome (Erbrechen, Bewegungsstörungen, Krämpfe, Koma).

Mittlerweile ist bekannt, dass auch Hunde anderer Rassen sowie Mischlinge unter MDR1 leiden können. Das wird leider häufig unterschätzt.

Bekannt ist aus bislang durchgeführten Untersuchungen das Vorhandensein des Gendefektes bei Hunden der Rasse (Anteil der Gendefektträger in %):

  • 68-71% Langhaar Collies
  • 55-57% Kurzhaar Collies
  • 42-65% Longhaired Whippet
  • 20-50% Australian Shepherd
  • 17-30% McNab
  • 7-35% Shetland Sheepdog
  • 7-15% English Shepherd
  • 17-19% Wäller
  • 14% Weißer Schäferhund
  • 18-30% Silken Windhound
  • 6-10% Deutscher Schäferhund
  • 1-11% Bobtail (Old English Sheepdog)
  • 2-7% Mischlinge
  • 1-2% Border Collie

Vermutet wird die Möglichkeit des MDR1-Gendefektes auch bei Hunden anderer Rassen. Hier müssen allerdings noch weitere flächendeckende Untersuchungen angestellt werden, ehe sichere Aussagen getroffen werden können. Insbesondere als Besitzer einer der genannten Rassen solltest Du einen Test auf das Vorhandensein des Gendefektes durchführen lassen. So kannst Du und Dein Tierarzt das Risiko bei nötigen Medikamenten einschätzen und somit der Medikamentenunverträglichkeit vorbeugen. Die Untersuchung wird zum Beispiel im Institut für Pharmakologie und Toxikologie der JLU Gießen durchgeführt.

Welche Medikamente sind gefährlich für Hunde mit dem MDR1-Gendefekt?

Folge der MDR1-Funktionsstörung ist, dass die Aufnahme und Ausscheidung zahlreicher Medikamente im Vergleich zu Hunden ohne MDR1-Gendefekt verändert ist. So kann es bei bestimmten Medikamenten zu einem gefährlichen Anstieg der Wirkstoffkonzentration im Blut kommen, weil sie nicht wie gewohnt über Leber und Niere ausgeschieden werden können.

Medikamente, die bei MDR1-Gendefekt bekannterweise nicht bzw. mit Vorsicht verabreicht werden dürfen, sind:

  • Loperamid
  • Makrozyklische Laktone bei Gabe in Tablettenform (enthalten in vielen Wurm- bzw. Flohmittel)

Medikamente, bei denen eine Beeinflussung durch den MDR1-Gendefekt vermutet wird, sind:

  • Zytostatika
  • Antiepileptika
  • Steroidhormone
  • Opioide
  • Cyclosporine
  • Antiviral-wirksame Substanzen
  • Antiemetika
  • Einige Antibiotika (z.B. Erythromycin) und Antimykotika
  • Acepromazin

Medikamente aus verschiedenen Stoffgruppen können bei reinerbig betroffenen Hunden zu schweren Symptomen führen:

Stoffgruppe 1 dürfen bei Hunden mit MDR1-Defekt nie angewendet werden  Ivermectin Präparate, Imodium ®
Stoffgruppe 2 sollten nur vorsichtig verwendet werden Diverse Arzneimittel wie Zytostatika, Opioide, Herzglykoside, Antibiotika, Antiemetika, Antiepileptika
Stoffgruppe 3 können problemlos angewandt werden Stronghold ®, Advocate ®, Milbemax ®

Diese Medikamente sollten nur bei entsprechender Notwendigkeit und nur in der angegebenen Dosis und Darreichungsform verabreicht werden. Auf keinen Fall darf eine Überdosierung erfolgen.

Wie kann ich auf den MDR1-Gendefekt testen?

Der MDR1-Gendefekt kann entweder mit Hilfe einer Blutuntersuchung oder bequem mit dem MDR1-Test für Hunde (Speichelabstrich) bereits im Welpenalter festgestellt werden.

Beim Test können drei unterschiedliche Ergebnisse herauskommen:

  • N/N: Der untersuchte Hund trägt das defekte/mutierte Gen überhaupt nicht und kann es auch nicht weiter an seine Nachkommen vererben. Der Hund hat kein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen.
  • N/MDR1: Der untersuchte Hund trägt ein defektes und ein gesundes Gen. Man bezeichnet ihn als „heterozygotes Trägertier“. Entsprechend kann er das defekte Gen mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an seine Nachkommen weitervererben. Das gesunde Gen schafft zum Defektgen einen gewissen „Ausgleich“. Nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft können Unverträglichkeiten mit den problematischen Medikamenten mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auftreten.
  • MDR1/MDR1: Beide Gene des untersuchten Hundes sind defekt. Das bedeutet, er ist ein reinerbiges, homozygotes Trägertier. Entsprechend überträgt er die Genmutation auf alle seine Nachkommen. Bei MDR1/MDR1-Hunden können nach Verabreichung der oben genannten Wirkstoffe Vergiftungserscheinungen auftreten und ihr Einsatz sollte entsprechend gut abgewogen werden.

Tipps, um dem MDR1-Gendefekt vorzubeugen

Genetische Testung:

  • Durchführung von genetischen Tests bei Zuchttieren, insbesondere bei anfälligen Rassen (Collies, Australian Shepherds, Shetland Sheepdogs).
  • Verwendung von Blut- oder Speichelproben für einfache Tests.
  • Ergebnisse bestimmen, ob ein Hund frei, Träger oder betroffen ist.

Gezielte Zuchtplanung:

  • Planung von Paarungen basierend auf Testergebnissen.
  • Vermeidung der Zucht mit Trägern oder betroffenen Hunden.
  • Ziel: Langfristige Eliminierung des defekten Gens aus der Zuchtlinie.

Informierte Hundebesitzer:

  • Nachfrage nach Testergebnissen der Elterntiere bei der Anschaffung eines Hundes.
  • Durchführung eines Tests bei bereits vorhandenen Hunden.

Aufklärung und Information:

  • Tierärzte und Züchter informieren Hundebesitzer über Risiken und Management des MDR1-Gendefekts.
  • Bereitstellung einer Liste von gefährlichen Medikamenten für betroffene Hunde.
  • Beratung zu alternativen Behandlungsmöglichkeiten.

    vetevo Fazit zum MDR1-Gendefekt bei Hunden

    Um das Risiko für Deinen Hund einschätzen zu können, solltest Du als Besitzer einer häufig betroffenen Rasse oder eines Mischlings mit unbekannten Rasseursprüngen einen Gentest auf den MDR1-Gendefekt durchführen lassen. Sicher ist sicher! Du weißt nie, ob schon morgen eine Not-OP – bei der die Info, ob der Hund ein MDR1 Träger ist, lebensnotwendig ist – das Leben deines Hundes retten soll.

    Vor dem Hintergrund der negativen Folgen für MDR1-Gendefekt-Träger sollte bei der Zuchtauswahl entsprechend auf eine sinnvolle Selektion geachtet werden. Durch den konsequenten Ausschluss von MDR1-Gendefekt-Trägern aus der Zucht kann langfristig erreicht werden, dass keine Welpen mit dem defekten MDR1-Transporter mehr geboren werden.

    Zur Einschätzung des Risikos ist eine Genbestimmung bei Hunden besonders häufig betroffener Rassen sinnvoll. Wichtig ist es, jeden behandelnden Tierarzt darüber zu informieren, wenn Dein Hund Defektgenträger ist. Bei der Verwendung der genannten Medikamentenwirkstoffe ist streng auf Dosierung und Darreichungsform zu achten. Anstatt einfach die Wurmkur zu geben, solltest Du dich über die Möglichkeit zu regelmäßigen Testverfahren der Kotuntersuchung auf Würmer bei deinem Hund informieren, um die Anzahl verabreichter Wurmkuren möglichst zu reduzieren.

    Insbesondere bei Hunden, die Kontakt zu Pferden haben, muss darauf geachtet werden, dass der (mögliche) MDR1-Defektträger keine Pferdeäpfel aufnimmt. Diese können den Wirkstoff Ivermectin in für den sensibilisierten Hund schädlichen Mengen enthalten.

    vetevo - aus Liebe zum Tier.

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